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Pressemitteilung

Gerda König erhält den Ehrenpreis
des Kölner Kulturpreises 2023

Bereits zum 13. Mal verlieh der Kölner Kulturrat den Kölner Kulturpreis. Am 23. Mai 2023 fand die offizielle Ehrung der Preisträger*innen im COMEDIA Theater Köln statt.

Dabei wurden Akteur*innen der Kölner Kultur vom Kölner Kulturrat für besondere Leistungen in den folgenden Kategorien ausgezeichnet:

In der Kategorie „Kulturmanager/in des Jahres 2022“ gewinnt Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses Köln. Die Ausstellung ‚SUSANNA‘ im Wallraf-Richartz-Museum wird zum Kulturereignis des Jahres 2022 gewählt. Als die besten „Jungen Initiativen“ werden electronic ID und DOKOMOTIVE e.V. ausgezeichnet. Der „Ehrenpreis der Jury“ geht an Gerda König als künstlerische Leiterin der DIN A 13 tanzcompany.

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VON CHRISTIAN BOS
KStA, 20.05.2023

Sie sprengte die Normen des Tanzes

Die Choreografin Gerda König gründete die erste Mixed-Abled-Kompanie in Deutschland

Die Augen, sagt Gerda König, seien ihr auf einem Workshop für professionelle Tänzer und Menschen mit Behinderung geöffnet worden. „Da kam eine Frau dazu, die eine Spastik hatte, deren Extremitäten sich ständig bewegten. Arme, Füße, Beine, alles. Ich dachte: Wow, die ist aber mutig. Und gleichzeitig: Wie soll das denn gehen?“ Das war vor mehr als 30 Jahren, in Bregenz. Kurz darauf sah sie, wie der Workshop-Leiter, Alito Alessi, mit der Frau sprach. Der amerikanische Choregraf gilt als Pionier des Mixed-Abled-Tanzes. „Später im Workshop bewegte sich diese Frau ganz unglaublich auf dem Boden. Es war faszinierend, ihr zuzugucken. Irgendwann rief Alito in den Raum, ob sich hier irgendjemand so bewegen könne wie sie – und das drehte für mich alles um: Was ist Tanz? Was ist Perfektion? Was ist Schönheit?“
In diesem Augenblick begann Gerda Königs erstaunliche Tanzkarriere, für die sie jetzt mit dem Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises ausgezeichnet wird.
Nach ihrem Schlüsselerlebnis fand Gerda König an der Kölner Sporthochschule eine Gruppe, der sie sich anschließen konnte. Und beschloss auf eigene Faust weiterzumachen, als diese auseinanderbrach. Schnell formierte sich ein fester Kern von 13 Leuten, deren Spur man noch heute im Namen von Königs Tanzkompanie DIN A 13 wiederfindet: „DIN A 13, weil das eine Norm ist, die nicht existiert, und das fanden wir sehr passend.“
Wie sich das anfühlt, wenn man die Norm sprengt, erfuhr König 1996, als sie zum „Tanz Hautnah“-Festival im Stollwerck eingeladen wurde. Das Stück „Gips Ab“, der erste öffentliche Auftritt von DIN A 13, spaltete das Publikum. „Es ging um Körpergipsabdrücke“, erinnert sich König, „und am Ende wurde mir der Gips vom Oberkörper gerissen und ich war nackt. Menschen mit diversen Körpern auf der Bühne, das war damals eine enorme Provokation. Das Publikum reagierte extrem polarisiert. Die einen fanden es sensationell gut, die anderen feindeten uns direkt an.“
Die negativen Reaktionen wirken heute mehr als befremdlich. Aber Königs Gruppe war damals die erste Mixed-Abled-Kompanie in Deutschland, griff radikal die Sehgewohnheiten an. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“, so König, habe das Stück damals eine „Superkritik“ bekommen. Allein das sei für sie ein Grund gewesen weiterzumachen, „gerade, weil es so kontrovers war“.
Am Anfang mussten die DIN A 13-Mitglieder noch unentgeltlich arbeiten, angetrieben nur von ihrer Vision, doch 1999 kam das erste Fördergeld von der Kunststiftung NRW. Ab da konnte König unter professionellen Bedingungen arbeiten „bis hin zu unserem ersten internationalen Projekt Dance meets Differences im Jahr 2004“, so König. Mit Hilfe des Goethe-Instituts exportierte König ihre Mixed-Abled-Arbeit unter anderem nach Brasilien und Kenia, nach Sri Lanka, Ghana, Israel und Venezuela. „Wir haben immer mit demselben Konzept angefangen – und jedes Mal ist ein komplett anderes Stück entstanden.“
Der Pioniergeist der heute 65-Jährigen ist ungebrochen. In Deutschland gibt es bis heute keine Ausbildungsmöglichkeit für Tanzende mit Behinderung, die Eingangskriterien für das Tanz-Studium, so König, sind bereits die Ausschlusskriterien. 2019 gründete sie deshalb ihr eigenes Weiterbildungsprogramm für Tanzstudierende mit oder ohne körperliche Besonderheiten, erneut eine Pioniertat. Ihr Ziel sei die Abschaffung aller Labels: „Es wäre schön, wenn wir irgendwann einfach Teil der Tanzszene wären, ohne gesondert kategorisiert zu werden.“

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